Good Enough Parenting – Warum weniger Perfektion vor elterlichem Burn-out schützt

Mutterschaft hat sich verändert. Und mit ihr die Erwartungen. Wo früher das Überleben zählte, zählt heute das Optimieren. Wo einst Großfamilien halfen, kämpfen heute Mütter (und immer öfter auch Väter) mit To-do-Listen, Förderplänen und Instagram-Idealen. Das Ergebnis? Eine Elternschaft, die sich oft eher wie ein Hochleistungsjob anfühlt – und zu Erschöpfung, Schuldgefühlen und Selbstzweifeln führt.

Es ist Zeit, das Ideal zu hinterfragen. Und es ist Zeit für eine Rückbesinnung: Good Enough Parenting – gut genug ist gut genug.

Von der Alltagsmutter zur Supermom – ein historischer Rückblick

Im 19. Jahrhundert war Mutterschaft keine Identität, sondern eine Funktion. Mütter sorgten, versorgten, erzogen – neben der Feldarbeit, der Fabrik oder dem Handwerk. Kinderbetreuung war oft ein Gemeinschaftsprojekt. Erst mit der bürgerlichen Familie kam die Idealisierung der Mutterrolle.

Die Nachkriegszeit der 1950er Jahre romantisierte die „Hausfrauenehe“. Die Frau blieb daheim, der Mann ernährte – zumindest in der Theorie. In der Praxis bedeutete das: Isolation, Unsichtbarkeit, Abhängigkeit.

Mit den feministischen Bewegungen der 1970er forderten Frauen Bildung, Beruf und Gleichstellung. Doch statt echter Entlastung entstand in den 1990ern ein neues Ideal mit doppelt so hoher Belastung: die Supermom. Erfolgreich im Job, präsent im Familienalltag, gesund, gepflegt, gebildet – und bitte dabei stets entspannt.

Der Preis: Elternschaft als Überforderung. Studien zeigen, dass Mütter heute mehr Zeit in die direkte Betreuung investieren als in den 1960ern – obwohl sie zusätzlich erwerbstätig sind. Das Erziehungsmodell nennt sich „intensive Elternschaft“ – die emotionale Verantwortung für jede Entwicklungsschraube des Kindes liegt auf den Schultern der Eltern. Meist auf denen der Mutter.

Perfektion macht krank – psychische Folgen eines Erziehungswahns

Wer ständig versucht, alles richtig zu machen, läuft Gefahr, sich selbst zu verlieren.
Burn-out bei Eltern ist kein Randphänomen mehr:

Mütter (und zunehmend auch Väter) leiden leise – denn es gilt als persönliches Scheitern, wenn man mit dem Druck nicht klarkommt.

Dabei liegt das Problem nicht im Individuum. Es liegt in einem System, das Care-Arbeit nicht wertschätzt, Eltern alleinlässt und Ideale verkauft, die niemand erfüllen kann.

Good Enough Parenting ist kein Aufruf zur Nachlässigkeit. Es ist ein Aufruf zur Entlastung. Ein Plädoyer dafür, authentisch zu sein statt ideal.

Kinder brauchen keine perfekten Eltern. Sie brauchen verlässliche, menschliche, anwesende Bezugspersonen.

Fehler gehören dazu. Und gerade in der Unvollkommenheit lernen Kinder:

Good Enough Parenting: Ein realistisches Gegenmodell

Der britische Kinderpsychiater Donald Winnicott prägte in den 1950er Jahren den Begriff der Good Enough Mother. Seine Botschaft war radikal einfach – und heute revolutionär:

So schützt dich Good Enough Parenting vor Burn-out

  1. Du priorisierst echte Verbindung statt ständiger Optimierung.
    Gemeinsames Lachen, Kuscheln, Zuhören – das bleibt. Nicht der perfekte Basteltag.

  2. Du erlaubst dir, Bedürfnisse zu haben.
    Auch du brauchst Pausen, Ruhe, Anerkennung. Nicht alles muss immer „für die Kinder“ sein.

  3. Du delegierst und teilst Verantwortung.
    Partnerschaftlich, mit Familie, mit Betreuungseinrichtungen – Fürsorge ist kein Solo-Projekt.

  4. Du setzt auf Alltagsnähe statt Anspruchsdenken.
    Statt selbstgekochtem Bio-Menü darf es auch mal Tiefkühlpizza sein. Und das ist okay.

  5. Du erkennst: Du bist genug.
    Kinder brauchen keine Superheld:innen. Sie brauchen dich – echt, ehrlich, unperfekt.

Es geht nicht um weniger Liebe – sondern um mehr Leben

Good Enough Parenting ist nicht weniger Muttersein. Es ist menschlicher Muttersein.
Es ist ein bewusster Widerstand gegen ein System, das Eltern erschöpft und Kinder überfordert.
Es ist ein Aufruf, das eigene Maß zu finden – und sich darin sicher zu fühlen.

Denn: Wer sich erlaubt, unperfekt zu sein, zeigt auch den Kindern, dass sie es dürfen.
Und das ist vielleicht die schönste Form der Fürsorge.

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